Ich wollte nach Indien und landete im Oman

Montagabend. Da steh‘ ich am Flughafen von Milano. Voller Euphorie, dass gleich mein Indien-Abenteuer losgeht. Noch ein letztes Bierli. Zahnseide kaufen. Und dann ab zum Check-in der Oman Air.

„Buonaserra“, „Buonaserra! Where do you go?“, „I go to Indiaaa“, „Do you have your Visum?“; Ich staune. Visum? Seit wann braucht man für Indien ein Visum? Und denke, der will mich auf’s Korn nehmen. „No, I don’t have a Visum“, „Then you can not fly to India“; Ich lache. „Genau, soweit kommt’s noch“.

Der Mann am Schalter bleibt beharrlich in seinem Blick. Na-dis-na dämmert’s mir, dass das durchaus sein kann, dass es für Indien ein Visum braucht. Ok, erstmal durchatmen. Ich setz mich neben den Check-in Schaltern auf meine Gepäcktasche und google „Indien Visum“. Tatsächlich. Indien braucht ein Visum. (Im Nachgang werd‘ ich natürlich noch zu hören bekommen, dass es doch für jeden logisch denkenden Menschen klar ist, dass es für Indien ein Visum braucht.) Ich hatte den Flug rund 3 Tage vorher gebucht. Nicht ein einziges Mal, nicht im Entferntesten hab ich an ein Visum gedacht. „Shit“, denk ich mir. „Was jetzt?“. Ich rufe die Notfallnummer der indischen Botschaft in Bern an. Erzähle von meiner Notsituation. Dass ich in Milano am Flughafen bin, mein Flieger in 2 Stunden geht und ich nicht im Besitz eines Visums bin. „Sir, can you do something?“ Jetzt lache nicht mehr ich, dafür der Mann am Telefon. Nach einer knappen Minute dann der ernüchternde Bescheid: „No Sir, no chance, you can go tomorrow to indian embassy of milan and ask there“. Ich versuch’s nochmal, aber es lässt sich nichts machen.

Und wieder. Innehalten. Eine Unterkunft suchen, eine Nacht in Milano, Morgen auf die Botschaft. Und dann weiß ich noch längst nicht ob und wie schnell ich da ein Visum bekomme. Das graut mir. Also versuch ich’s online, aber ein Express-Visum kostet ne schöne Stange Geld und unter 24h ist sowieso nichts zu machen. Das Geld für den Flug gibt’s auch nicht zurück. Beim Check-in Schalter frag ich nochmal nach, sie wollen mich einfach nicht fliegen lassen. Aber; ich hab ja ein Stop-Over Flug in Oman. „Sir, i could fly to Oman and get out there“. Erst verneint er, prüft dann doch noch sein System, und dann, immerhin; „Let me check“, „Do you have a one-way ticket?“, „Yes! I have a One-Way-Ticket“. „Ok, i check with the manager“. Er läuft rüber, unterhält sich mit einer älteren, gutgekleideten blonden Frau im Anzug. Sie begutachtet mich aus der Ferne, schüttelt den Kopf, und ich frag mich was die wohl bereden. Dann läuft sie zu mir hin. „Hätt‘ ich doch die Jeans und nicht meine schlabbrigen Flug-Hosen angezogen.“ „Egal, jetzt gilt’s ernst“; Ich stelle mich vor, erkläre ihr meine Geschichte. Wir sind uns sympathisch. Sie checken wieder ihr System und dann doch die erlösende Antwort. „Ok Sir, we can make an exception, and let you fly to Oman“. Um in ernsterem Ton nachzuschieben; „But: You have to go out there!“, „Ok, sure, i will!“.

Oman. Eine Mischung aus Unbehagen und Vorfreude kommt auf. Ich weiß so gut wie nichts über dieses Land. Frage die Managerin. „How is Oman? Is it nice? Safe? Beautiful?“, ihre Augen leuchten. „Sir, it’s wonderful. It’s completely safe. All the europeans wanna go there“. Oh. Ok. Ich kenn‘ da niemand. Aber, jetzt kommt Vorfreude auf. Das hört sich ja toll an! Die Uhr tickt, schon bald geht der Flieger. Oman, nochmals leer schlucken – absolut nicht das, was ich plante, aber ich freu mich drauf. Auf geht’s. Ich erhalte noch einen Flyer auf Englisch mit drei, vier Bildern vom Oman drauf. Sie drucken mein Ticket aus, ich bedanke mich herzlich bei der Managerin, laufe in zügigem Tempo Richtung Sicherheitskontrolle und eine Stunde später sitze ich bereits im Flieger. Eine ganze Sitzreihe für mich alleine überleg ich mir, ob ich jetzt noch guten Gewissens mein Bauernwürschtli essen kann. Ich lächle, beisse rein und geniesse noch einen letzten urschweizerischen Snack.

Oman 2025. Es kommt nicht immer wie geplant im Leben. Das muss nicht schlecht sein. Denn auch das Ferne und das Unbekannte hat seinen Reiz und kann des Reisendens Seele stillen. (… und wär ich noch nicht abgehoben, wär‘ ich auf den Mond geflogen.)

Daymaniyat Islands – Schwimmen mit den Schildkröten
Sultan-Qabuus-Moschee
Mutrah Souq
Ein Esel weist mir den Weg
Tanken im Oman – da freut man sich zu bezahlen bei diesen Preisen!
eine traditionell omanische Gaststätte
Wadis. Hier das Wadi Tiwi
Es ist heiss; froh allen, die ein Schattenplätzli finden
Wadi Shab
Essen auf dem Boden – unter anderem förderlich für die Haltung und Flexibilität der Gelenke
Übernachten in der Wüste
Inspiration für Schweizer Restaurants und Cafés – sie hätten einen Stammkunden mehr, versprochen!
Nizwa
im Zweier-Reiheli und nur ausnahmsweise auch mal im Vierer-Reiheli.
Jabal Shams
wenn man sich viermal begegnet, wundert einen auch ein fünftes Mal nicht mehr.
Autowaschanlage im Oman – nix da mit selber waschen. Nicht einer, nicht zwei, nein, vier Männer die mein Mietauto putzen. Nach 20min: „Jungs, Vielen Dank, das schaut echt sauber aus , aber ich muss jetzt wirklich los“.

Am Flughafen Muscat angekommen erstes Staunen. Schön schaut das aus. Modern. Neu. Ruhig. Gehoben. Riecht gut. Ich kaufe mir eine SIM-Karte, trinke einen Kaffee und buche meine erste Unterkunft. Eine Hostelkultur scheint es im Oman nicht gross zu geben, die Anzahl Unterkünfte hält sich auch im Rahmen. Ich finde ein Hostel das ganz ansprechend anschaut und buche eine Nacht dort. Im Bus dorthin treffe ich auf eine Chinesin in meinem Alter und ein junges Reisepäärchen das gerade vom Surf-Urlaub in Sri Lanka zurückkommt – ich bin also nicht der einzig Reisende in meinem Alter. Zwei Nächte bleib ich dann im Hostel. Da sind für einmal nicht überwiegend Europäer, sondern Inder, Asiaten, und internationale Gäste aus Dubai oder dem arabischen Raum anzutreffen. Es ergeben sich interessante kulturelle Austausche und hin und wieder wird sogar der fürchterlich laute Fernseher ausgeschaltet und zusammen musiziert.

An meinem zweiten Tag mache ich einen Schnorchelausflug auf die Dalmaniyat Islands. Herrlich klares, hellblaues Wasser. Tauchen und Schwimmen mit den Meeresschildkröten. Kleinere, mittlere, und da, Boah, die ist RIEESIG! An meinem dritten Tag bekomme ich mein Auto. 4X4 oder Limousine? Das war die Frage. Ich hab mich für letzteres entschieden. Und es vergehen keine zwei Stunden, bevor ich zum ersten Mal vor einer nichtasphaltierten Strasse und damit der Wahl stehe – Risk, Fun und Abenteuer mit allenfalls horrenden Zusatzkosten oder Behutsamkeit walten lassen und mir sagen dass es ja auch genügend andere Weg gibt von A nach B zu kommen. Ich beginne etwas zu googlen, was es meist auch nicht einfacher macht, bevor mir ein Esel den Weg weist. Leider versteh ich nicht ganz was er mir sagen will, aber ein ähnliches Auto wie meines kommt den anderen Weg hinaus – so packt mich die Abenteuerlust und ich düse, nicht in Schnecken-, aber in Eselstempo los. Nach ein paar hundert Metern knirschen die Steine unter dem Autoboden und der sympathische Autovermieter kommt mir in den Sinn. Und so reift dann doch die Entscheidung, dass ich diese Strasse weder mir, noch meinem Portemonnaie, dem Auto und auch nicht dem Autoverkäufer antun will. Ich kehre um, winke nochmals dem Esel zu und fahre brav um die Gebirgskette umher. Anmerkung der Anekdote: Wenn jemand mal den Oman bereist, ich finde: Ein 4×4 lohnt sich!

Abends geh ich was essen in ein traditionell omanisches Restaurant. Neben mir am anderen Tisch noch zwei andere Gäste – ich weiss es hier noch nicht, aber werden wir uns im Verlauf der Reise noch öfters begegnen. Das Restaurant ist in wunderbar arabischem Stil eingerichtet – der Eingang, ein offener Innenraum, rundherum die Veranda mit Tischen und omanischer Dekoration. Es gibt Buffet mit frischem Thunfisch, Chicken, Gemüse, Hummus, Fladenbrot, Linsensuppe, Salat und zur Nachspeise Wassermelone, arabischer Kaffee und Tee. Yamm-Yamm! Wobei ich hier auch ehrlich anmerken darf: Das Essen während meiner Oman-Reise war gut (oftmals indisch angehaucht durch die vielen indischen Gastarbeiter), aber jetzt auch nicht der Grund dass ich gleich wieder in den Oman reisen würde. Nach meinem ersten Roadtrip-Tag erreiche ich erfüllt und gesättigt meine Unterkunft am Strand. Der Patron sitzt in omanischem Gewand an der Reception und begrüsst mich, gibt mir Tipps zur Erkundigung der Wadis in den kommenden Tagen. Dann tragen mir zwei junge Männer mein Gepäck ins Zimmer. Mir ist das jeweils nicht so recht, kann ich das doch auch selber machen, aber es gehört halt hier etwas dazu. Und ist jetzt auch nicht die Regel.

Die kommenden beiden Tage widme ich ganz der Erkundigung der Wadis in der Umgebung. Das Wort Wadi stammt aus der arabischen Sprache und kann als „Tal“ oder „Schlucht“ übersetzt werden. Sie können trocken sein oder Wasser führen. Die Wadis die ich besucht habe, führten Wasser. Erst das Wadi Tiwi, wo ich mit meiner Limo wieder nicht weit komme. Ich gelange bis zum Haupteingangspunkt des Tals, und dann wird „Autogestoppt“. Das erste Auto nimmt mich gleich mit. Super! Ein Naturalist aus Litauen. Er fragt mich, ob es sich denn lohnt hier reinzufahren, ich meine: „Ja, auf jeden Fall, hab viel gutes gehört und es soll ganz schön sein“. Ich steige ein und wir fahren talein- und talaufwärts. Die Strasse ist extrem abenteuerlich. Eng, schottrig, steil. Kaum Platz. Es braucht gute Fahrkünste und der Chauffeur aus Litauen meistert die Herausforderung bravourös. Auf der Fahrt halten wir immer mal wieder an um die Umgebung zu bestaunen oder ein Foto zu schiessen. Ich finde es grossartig, mit einem Naturalisten unterwegs zu sein, er erzählt mir viel von den Pflanzen und Tieren hier. Und meint, er hätte auch nie Unterlagen für seine Schüler gebraucht, sondern reist herum und dokumentiert alles selber.

Wir fahren bis hinten in’s Wadi. Dort laufen wir den Hang runter und gelangen zu einem wunderschönen Wasserfall. Hach, Tut das gut! Ein erfrischender Schwumm unter dem kräftig herabrauschenden Wasser. Ich vergesse die Zeit und bin innerlich im Oman angekommen. Auf dem Fussweg zurück bestaune ich Frösche, Schlangen, Insekten, Bananenstauden und Papayabäume. Was es da nicht alles gibt in so einem Wadi. Ich empfehle meinem litauischen Chauffer noch meine Unterkunft und bedanke mich, dass er mich mitgenommen hat. Abends geniesse ich die Sonnenuntergangsstimmung nach einem erlebnisreichen Wadi-Tag am Strand. Schaue den Einheimischen zu. Ganz schön viele Leute hier. Es scheint Kultur zu sein, am Wochenende in grossen Gruppen an den Strand zu gehen. Tische, Stühle, Essen, alles wird mitgenommen – es wird gespielt, gelacht, geredet. Ich lausche den Wellen, ein Klang der mich wieder immer aufs Neue besänftigt. Unter mir die schmiegsamen, schön weichen Steine. Ober mir der Mond. Ich bin gleichauf zufrieden, aber auch etwas leer nach diesem erlebnisreichen Wadi-Tag im Oman.

Am nächsten Tag erkundige ich das Wadi Shab. Es ist etwas touristischer als das Wadi Tiwi. Mit einem Boot wird man für CHF 1.- erstmal auf die gegenüberliegende Flussseite verschifft. Und dann kann man schön das Wadi reinlaufen. Steile Felswände, Karges Gestein, Palmen, glasklares, blaues, warmes Wasser – für mich ist das hier eine ganz neue Natur. Ungewöhnlich, aber schön. Nach rund einer Stunde geht’s zu Fuss nicht mehr weiter. Ich hab einen wasserfesten Beutel mit, und dann wird geschwommen, alles die Schlucht entlang. Bis zu einer Höhle wo man wiederum unter einem Wasserfall mit dem Wasser eins werden kann.

Nach den Wadis die Wüste

Im Oman ist es möglich, an einem Tag der Küste entlang zu laufen, am Strand zu chillen, auf einem Berg Höhenluft zu schnappen, in einem Wadi unter Palmen zu schwimmen, und am Abend den Sonnenuntergang in der Weite der Wüste zu bestaunen. Die Natur ist sehr vielfältig. Nach den Wadis esse ich in einem omanischen Lokal. Authentisch, auf einem Teppich, direkt am Boden. Mir gefällt’s. Dann holt mich ein Pick-Up ab um mich in mein Wüstencamp zu bringen. Ich verstehe Jan, steige ein, und wir fahren los. Er hält kurz bei einem Laden und wie es sich hier gehört, geht er nichtetwa in den Laden rein, nein, der Ladenverkäufer bringt ihm das Wasser gleich direkt zum Auto. Nach rund 10 Minuten ist mein Fahrer am Telefon und es stellt sich heraus dass ich im falschen Auto gelandet bin. Wir lachen. Er fährt mich wieder zum Treffpunkt zurück wo ich doch noch im Auto meines Camps lande. Spontan habe ich noch eine Wüsten-Sunset-Tour gebucht. Darunter stellt ich mir in etwa vor, zusammen mit ein paar anderen hinten auf einem Jeep zu sitzen und dann gibt’s so ein gemütliches, entspanntes Ausfährtli. Nun, falsch gedacht. Mein Fahrer düst los und fährt in horrendem Tempo die Dünen rauf und runter. Ich bin etwas angespannt und gleichwohl beeindruckt, wie gut sich in diesem feinen Sand fahren lässt. Er hat das gut im Griff und dann stoppen wir für den Sonnenuntergang. Ich geniesse es, durch den feinen Sand zu laufen. Mein Guide taut auch auf und wir unterhalten uns über Kulturen, Geschichte und Länder. Die meisten Bedouinen hier stammen aus der Gegend. Es gäbe auch heute noch Bedouinen, die bis auf ein paar Hitzemonate das ganze Jahr über in der Wüste leben. Im Gegensatz zu früher hätten sie mittlerweile auch Zugang zu Wasser und Elektrik. Und wildlebende Tier in der Wüste seien vor allem Schafe, Kamele und Oryx. Beim Sonnenuntergang inmitten der Wüstenlandschaft werde ich etwas philosophisch. Es ist ganz still. Ich lausche ihr, der Stille. Ja, es ist so eine klare, reine Stille. Ist sie überall gleich? Oder je nach Umgebung doch ganz unterschiedlich? Irgendwie kommt sie mir hier anders vor. Schön. Und spannend, das wahrzunehmen.

Die Welt der Reisenden ist überschaubar im Oman. Abends im Wüstencamp treffe ich wiederum die beiden Männer, denen ich schon vor ein paar Tagen im omanischen Restaurant begegnet bin. Diesmal essen wir am gleichen Tisch. Basil aus Thailand und Hans aus Holland. Beide sind sie Reiseführer. Hans schon seit über 50 Jahren. In allen Herren Ländern war er unterwegs, von Afghanistan über Burma, Syrien, Jemen oder Irak. Er hat sich in Kriegsgebiete gewagt oder in Ländern, von denen stark abgeraten wird – wollte alles mit eigenen Augen, eigenen Sinnen erleben und erfahren. Angst habe er keine gehabt, viel mehr Vertrauen in’s Leben – es gab durchaus heikle Situationen, doch ist es immer gut ausgegangen. Nach dem Abendessen wird der Tag am Lagerfeuer ausgeklungen. Nach feinem omanischem Tee, einem ersten Wüstenfeuer, spannenden Gesprächen, und einem wilden Ritt beziehe ich spätabends mein Camp, geniesse draussen auf der hochgelegenen Zeltterrasse nochmals die Sterne, die nun angenehme Luft, und lege mich zufrieden ins Bett.

Am nächsten Morgen gibt’s Frühstücksbuffet und noch bevor es richtig heiss wird werd ich zu meinem Auto chauffiert. Ich fahre los. Bei der ersten Kreuzung fährt ein Auto rein, hinten drauf – ich glaub erst ich seh nicht recht – ein Kamel. Ist das wirklich grad passiert? Ein Kamel hinten auf dem Auto? Schüttle meinen Kopf. Jap, ich bin in der Wüste.

Das lange Fahren ist etwas anstrengend. Mein nächster Stopp ist im omanischen Museum. Ich und Museum, das ist in etwa wie Paris Hilton und Heidi. Mit meinen kurzen Hosen komm ich erst nicht rein. Also dann, Hosen wechseln, machen wir doch gerne. Ich geh zurück zum Auto, zieh meine langen Hosen an und dann; wer hätte das gedacht aber das Museum beeindruckt mich. Die Mischung wie alte omanische Traditionen und Geschichten nähergebracht werden und dann der Übergang in die Moderne und in die Zukunftsvisionen ist hier visuell extrem ansprechend gestaltet. Ich erfreue mich daran, etwas über die omanische Geschichte, die Kultur zu erfahren und durchaus auch an der angenehm kühlen Temperatur die hier drinnen herrscht. Die letzten Tage waren gefüllt mit Abenteuer, Entdeckungen und Roadtripausflügen. Ich merke dass mir das stetige Programm und die Hitze etwas zugesetzt haben und entschliesse mich dazu, einen ruhigen Nachmittag und Morgen einen Ruhetag einzulegen. Weder habe ich einen Weiterflug, das Auto kann ich auch flexibel verlängern, und Unterkünfte buche ich meist nur für eine oder zwei Nächte. Ich schätze diese Flexibilität am reisen, erreiche nachmittags die historische Stadt Nizwa und erlaube mir dort anderthalb faule Tage in einer typisch omanischen Unterkunft.

Am sechsten Tag sollst du nicht mehr oder noch nicht ruhen. Und so erkunde ich die Festung von Nizwa. Nizwa hat eine wunderschöne Altstadt und war immer ein politisches und religiöses Zentrum im Oman. Lange Zeit auch die Hauptstadt. Von den omanischen Frauen lasse ich mir die traditionellen lokalen Produkte erklären und decke mich ein damit. Frankenstein-Wasser, Rosenwasser, Sandal. Etwas für das Immunsystem und etwas für die Haut. Bevor ich gehe zieht eine der Damen noch ein Duftfläschchen aus ihrer Handtasche und gibt mir eine Kostprobe; Herrlich, dieser Duft; ich kaufe ihr ein Fläschchen ab.

Nach der historischen Stadt Nizwa möcht ich unbedingt noch ein Bergdorf besuchen und lande in Misfat-Al-Abryeen. Ein hochgelegenes Dorf, bekannt für seine traditionellen Gassen und Bauten in altomanischem Stil. Dort geniesse ich die Aussicht und einen kaltgebrauten Café auf der Sonnenterrasse eines Cafés. Und überlege mir, wo ich wohl schlafe heut Abend. Ich wundere mich, ein ganzes Haus unterhalb des höchsten omanischen Berges, dem Jabal Sham, für sage und schreibe 5 Omanische Rial zu entdecken. Kann das wirklich sein? Normalerweise kostet allein ein Zimmer um die 20 OMR. Ich würde mich jetzt nicht als Schnäppchenjäger bezeichnen, wollte aber eh dort hin, und es schaut schön aus, also buche ich es. Und es kommt wie es kommen muss, dort angekommen meint der Gastgeber dass ihm da ein Fehler passiert sei und das Haus fälschlicherweise noch angezeigt wurde. Nichtsdestotrotz entsteht eine sympathische Begegnung, er handelt die Situation sehr professionell und herzlich, bietet mir ein anderes Zimmer an und lädt mich noch auf einen Teller frischer omanischer Früchte und Kaffee mit seiner Verwandtschaft ein und erzählt mir etwas über das Leben hierzulande. Dann geht’s hoch zum Jabal Shams, dem höchsten Berg Omans, auf etwas über 3000 Meter über Meer. Der Wind weht und ich bestaune den „Grand Canyon Omans“ und den Sonnenuntergang mit herrlicher Aussicht.

Auf Reisen versuche ich aktiv auf Menschen zuzugehen. (… geht natürlich auch im Alltag). Mal gelingt das mehr, mal weniger. Oben auf dem Jabal Sham sehe ich einen Offroad mit Dachzelt, am Hang parkiert mit perfekter Aussicht. Ich frage die Jungs ob die Handbremse angezogen ist und wir kommen ins Gespräch. Unterhalten uns über den Oman und tauschen Anekdoten aus. Sie laden mich noch auf ein Rum-Cola ein, ich lehne dankend ab. Der Gesetzgebung im Oman durchaus bewusst steht mir noch eine längere Fahrstrecke bevor und ich hab mich auch dran gewöhnt hier ohne jegliche Konsummittel meine Reise zu erleben. Dennoch, eine sympathische Begegnung und ich stell mir vor mit so einem Offroad-Auto durch den Oman zu reisen (Wildcampen ist so gut wie überall erlaubt), ist auf jeden Fall auch ein packendes Reise-Erlebnis. Abends im Restaurant höre ich bei den einzigen Gästen ausser mir Schweizerdeutsch. Frohen Mutes sprech‘ ich sie an und erhalte kurz und knappe Antworten – es gelingt mir in diesem Moment dann auch grad nicht, das Eis zu brechen und ich wünsche Ihnen eine gute Reise. Schweizer können so unterschiedlich sein, so offen, unterhaltsam und herzlich, aber auch so verklemmt und reserviert. Naja, ich hab’s probiert. Und schliesslich hab ich auch meine Stimmungen, wo ich mal offener und mal verschlossener bin.

Am siebten Tag sollst du ruhen; doch ist mir gar nicht nach Ruhe, denn es ist mein letzter richtiger Erlebnistag und ich will unbedingt noch den Snake Canyon erkunden. Wiederum ein Ort, der nur mit dem 4×4 zugänglich ist. Erst ist mein Plan, mit dem Auto möglichst nah hinzufahren, dann Autozustoppen und unten beim Canyon einen Guide zu suchen (ein Grund dafür ist dass Touren & Aktivitäten im Oman im Verhältnis zu allem anderen extrem teuer sind!). Doch ist es schon bald Mittag und mein innerer Guide meldet sich; „du darfst es dir auch mal bequem machen, es muss nicht immer alles auf eigene Faust sein“. Ok gut, stimmt schon, ich hab noch einen Kontakt vom Canyon und melde mich bei ihm. Er meldet sich gleich dass er alles organisieren kann und ich sage ihm zu. TipTop.

Oben auf dem Berg angekommen kommt mein Chauffeur. Omanischer Kerl mit Kappe, Typ Landmensch mit dreckigen Bauarbeiterhänden, sympathischem Lachen und einem nostalgischen Toyota 96er. Eine Stunde geht’s steil den Berg hinab, ein Mal bleibt das Auto stehen, der Motor geht nicht von selber an, zum Glück sind noch Bauarbeiter in der Nähe so dass wir mit genügend helfenden Händen dass Auto wieder anschieben können. In leicht gebrochenem Englisch erzählt er mir von seinem Leben hier. Hier sei er aufgewachsen, da unten, das ist sein Dort. Die Frau habe er gleich nach der Schule geheiratet. Heute ist er 43 und Vater von sage und schreibe neun Kindern. Und du so? Ich, 33, unverheiratet, kinderlos. Wir witzeln und ich sag ihm dass ich dann nächstes Mal wiederkomme mit Frau und grosser Karre. Die Wasserleitung zum Dorf hätte er selber gelegt. Es ist ein Dorf mit 3 Familien, eingekesselt von den imposanten Bergen, umgeben von Palmen. Schaut nett aus hier, zum Glück hat’s auch noch zwei grössere Dörfer da unten, so dass es auch eine Schule gibt und die Kinder hier zur Schule können und nicht jeden Tag über den Berg müssen. Nebst dem Persönlichen interessiert mich in fernen Ländern auch das Politische, Gesellschaftliche; wie stehen die Omanis zum Sultan? Mein Chauffeur meint der Vorherige sei besser gewessen. „You know sultan before, many many gifts, better salary“. Ich lächle, Geschenke kommen wohl immer gut im arabischen Raum und haben einen hohen Stellenwert. Den Erzählungen und meinen Gesprächen nach scheint der vorherige Sultan, Sultan bin Said Al-Said, im Lande sehr beliebt gewesen zu sein. Fast ein halbes Jahrhundert stand er an der Spitze des Sultanats, habe viel aufgebaut, für den Oman und seine Menschen gemacht und sich auch als Vermittler verfeindeter Nationen ausgezeichnet. Auch heute, und das fand ich spannend, scheint der Oman einen ganz anderen Weg zu verfolgen als die Nachbarstaaten. Statt höher und schneller soll die Authentizität des Landes gewahrt werden und mit innovativen Projekten der Stein gelegt werden für eine zukunftsfähige Gesellschaft. Mehr dazu in einem spannenden Video am Schluss des Beitrages.

Zurück zu meinem Ausflug. Unten steigt der Guide ein. Ein paar Minuten später sind wir beim Beginn des Snake Canyons. Der Guide ist etwas weniger gesprächig. Das ist mir aber auch grad recht, dann kann ich mich ganz darauf besinnen, diesen Canyon bewusst und achtsam zu bewältigen. 10km geht’s die imposante Schlucht hinein. Raus aus der Komfortzone, rein in’s Abenteuer – mal von Steinen springend, mal eng die Felsen hindurch, mal schwimmend durch die Höhle, mal rutschend, mal abseilend. Eine Mischung aus Adrenalin und dann wieder genussvolles Laufen. Ich taue auf, die Müdigkeit vom Morgen ist weg, Schlangen begegnen wir keinen, dafür wilden Ziegen, Fischen, Fröschen und allerlei Insekten. Nach rund 2.5 Stunden sind wir durch und der Driver holt uns wieder ab. Ich freue mich, den Snake Canyon noch gemacht zu haben. Ein schönes Abenteuer zum Abschluss meiner Reise. 

Bei der Rückfahrt sagt mir der Organisator am Telefon, ich solle alles Geld dem Guide geben. Ich frage den Chauffer ob das gut ist. „You friend with organisator?“, „Yes, he‘s uncle“. Ok, Familie, dann passt das ja. Ein paar Minuten später erzählt er mir von seinen vier Autos. Und ich mach mir noch Gedanken dass der nicht zu seinem Geld kommt. 🙂 Wobei, ist schon recht so, in fernen Ländern weiss man teils nicht, wie das Geld verteilt wird, und es ist mir wichtig dass jeder auch seinen Teil abbekommt. Zurück bei meinem Auto angekommen dauert es keine fünf Minuten und wer kommt da angedüst? Hans und Basil. Wir lachen, es ist jetzt nicht so dass das hier eine touristische Sehenswürdigkeit wäre, aber: „War ja klar, dass wir uns begegnen“ und „Zufall ist es längst nicht mehr“. Wir erfreuen uns an der Aussicht auf die umliegenden Berge, schiessen ein paar Fotos, laufen zur Aussichtsplattform weiter unten, und unterhalten uns über unsere Oman-Reise. Und was denn bei mir und bei ihnen als nächstes ansteht, bevor ich mich mit den Worten „Well, you never know, but for now i say goodbye“ verabschiede – Hat mich gefreut, Alles Gute den beiden und vielleicht bis bald einmal bei ihnen in Thailand oder bei mir in der Schweiz.

Beim Auto angekommen trinke ich einen halben Liter Wasser und rufe Hamza an, den aufgestellten Hotelmanager von meiner gestrigen Unterkunft. Ob er mir noch ein Zimmer hat für heute? Er sagt zu und dort angekommen, gibt’s auch gleich ein grosses Familienzimmer und Special Price (… natürlich erhalte nicht nur ich Special Price, dennoch: sehr nett und zuvorkommend). Allgemein habe ich die Omanis als aufgeschlossene, interessante und sehr gastfreundliche Menschen erlebt. Sie freuen sich, einem als Reisenden ihr Land näherzubringen, sind Stolz darauf und haben auch Freude, wenn es den Touristen hierzulande gefällt. Abends gibt’s ein Buffet in guter Stimmung mit Hamzas Gesellschaft und ein paar französischen Reisenden, bevor ich an meinem letzten „Mietauto-Tag“ nur noch ein Ziel habe: Dieses rechtzeitig zurückbringen und mich dann im Hostel etwas erholen.

Die Fahrt von Al Hamra nach Muscat dauert rund 2.5h, eine Schnellstrasse durch‘s Gebirge hindurch. Das Fahren im Oman habe ich alles in allem als sehr angenehm erlebt, breite Strassen und wenig Verkehr. Es gibt viele unsichtbare Blitzer, daher ist’s von Vorteil sich an die Geschwindigkeitsbegrenzung zu halten. Tiere können auf der Strasse auftauchen und was etwas mühsam war, waren diese leichten Erhöhungen, die sind aus der Ferne teils nur schwer zu sehen und wenn man zu schnell drüber fährt, scheppert das Auto ordentlich durch. Ansonsten, Strassen gut, Fahren gut im Oman.

Zum Schluss meines Roadtrips nochmals eine kulturell Angewöhnungserfahrung: Ich möchte noch mein Auto waschen. Es sei nicht zwingend, doch bin ich sehr happy mit dem Mietauto-Service, ein guter Preis und ich konnte es flexibel zwei Mal verlängern, dann will ich es auch in einwandfreiem Zustand zurückgeben. Bei der Autowaschanlage wasche ich mein Auto nicht etwa selbst – nein, sage und schreibe 4 junge Männer nehmen sich dem an. Erst schauen drei zu, wie der eine mit dem Sprühkopf abwäscht, dann wird zu viert mit Schwamm aussenrum gewaschen, und dann innen rum. Ich bin etwas unter Zeitdruck. Nach 20 Minuten wird es mir dann zu viel. „Guys, Thanks a lot, it looks so clean, but i really have to go now“. Ich bedanke mich bei den Männern, bezahle 5 omanische Rial und fahre los. 

In Muscat gebe ich mein Auto zurück und habe noch ein nettes Gespräch mit dem Autovermieter. Wie so viele im Oman kommt auch er aus Indien. „Switzerland? Oh, beautiful country! But very expensive!“ Der Klassiker; Schön und teuer. Ich meine, es wäre auch in der Schweiz möglich, durchaus günstig zu reisen und lade ihn ein, sollte er mal in die Schweiz kommen. Seine Frau erwartet momentan ihr zweites Kind. Sie zu heiraten hat ihm seine Familie „empfohlen und nähergelegt“, Nüchtern erklärt er mir: „You know that’s part of indian culture, and if two families are good together, 99% of the problems are solved.“ Wieder muss ich lachen. „Heiraten auf Empfehlung hin, auch das kann funktionieren“. 

Wir verabschieden uns und ich mach mir einen gemütlichen Nachmittag. Gehe noch zum Barber meine Haare schneiden, das find ich immer spannend, in anderen Ländern zum Coiffeur gehen. Er kommt aus Pakistan. Geschmeidig und gesprächig putzt er mich raus. Im Hostel ein Mann aus Afghanistan, Menschen aus unbekannteren Ländern die man hier trifft, und alle haben sie eines gemeinsam, sie sind stolz auf ihr Land, auf ihre Kultur, und legen mir nahe, doch eines Tages dahin zu reisen. Abends ein letztes Nachtessen beim Libanesen. Obschon gehobenes Restaurant, bin ich der einzige der am Tisch sitzt und isst, die Omanis fahren mit ihren Autos vor, der Servicemann bringt ihnen das Essen gleich ins Auto, sie bezahlen mit Karte und düsen los und dann wird wohl in Gemeinschaft mit der Familie zuhause gegessen.

Ich schreibe hier nochmals ein paar Zeilen in mein Reisetagebuch, lasse diese etwas Revue passieren. Der Oman, ein authentisches Reiseland, mit sehr vielfältiger Natur, freundlichen Menschen, einer spannenden, traditionsreichen Kultur und Geschichte. Unverhofft bin ich hier gelandet, und mit einem Rucksack voller Eindrücke zieh ich nun weiter. 

Nach Indien. Diesmal mit Visa. Mal schauen, ob‘s doch noch klappt. 🙂 

Habibi. Friede sei mit euch.

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