Winter in der Weidhütte, sechster und letzter Teil: Bye-Bye, Winter!

Anmerkung der Redaktion: Text aufgesetzt am 21. Februar 2024. Wenn auch etwas spät, möchte ich den Winter und dieses Projekt hiermit noch abschliessen – Viva.

Es ist früh am Morgen. Noch einmal sitze ich vor dem knisternden Feuer. Geniesse die Wärme, die aus dem Ofen strömt und lasse die vergangenen Wochen hier etwas revue passieren.

Die frühen Morgenstunden, es ist hier meine Lieblingszeit geworden. Oft stand ich um 5 Uhr auf – Holz holen, Ofen einheizen, Morgentoilette, eine Atemübung machen, etwas Wasser trinken und dann genüsslich vor dem Ofen etwas verweilen. Oder wenn’s flutscht, mich geistig oder kreativ betätigen. Ich weiss nicht genau, was es ist, aber die Zeit am frühen Morgen, sie hat was. Wenn’s draussen noch dunkel ist, die Welt noch still steht – und eine Art Klarheit einen umgibt.

Und dann ist’s auch schön, einen Kaffee zu trinken, im Wissen, schon etwas aus dem Tag gemacht zu haben. Da bin ich einer der sich immer auch viel vor nimmt, viele Ideen die aufkommen. Auch was der Winter in der Weidhütte betrifft. Gern hät‘ ich noch mehr gemacht, mehr kreiert. Jetzt sind es einfach ein paar Sachen geworden. Und dann darf ich mir wieder sagen, hey, ist doch okey, das ist das wozu ich grade im Stande war, das, wozu es gereicht hat, es ist nicht allzu viel – aber es ist wieder etwas. Wieder ein Kapitel und eine Lebenserfahrung der ich mich gestellt habe und aus der ich etwas für mich mitnehmen kann.

über das Allein-Sein

Warum eigentlich, dieser Winter in der Weidhütte? Ich hab mich in der Altjahrswoche gefragt, ob ich auf Reisen gehe oder den Winter erstmal hier verbringe. Mich hat das Abenteuer gereizt, die Herausforderung, mich der Kälte, mir selber und dem Non-Komfort zu stellen. Jetzt weiss ich, dass ich mit wenig auskommen kann, dass ich mit mir selber sein kann. Und dass eben schon was dran ist, dass, je weniger man hat, umso mehr man dies auch schätzt. Auch möchte ich nicht dem Alltagsleben entfliehen, um glücklich zu sein. Nicht auf Reisen gehen, um glücklich zu sein, um dann wieder zurückzukommen und in einer Art Alltagstrott versinken. Nein, da, wo ich bin, mit mir und mit dem was ich habe Erfüllung in meinem Dasein finden.

Und da schätz ich mich dankbar, das Plätzchen hier gefunden zu haben – oder das es mich gefunden hat, wie auch immer 🙂 Es gibt einem die Möglichkeit, sich in oder mit der Natur zu entfalten oder etwas kreieren zu können. Das hab ich auch gut gemerkt die Wochen, sofern ich etwas aus der Zeit, aus ihr und aus mir gemacht habe, immer mal wieder Neues probierte, das schenkt mir dann auch Erfüllung in meinem Dasein und dann wird aus dem Allein-Sein viel mehr eine Selbstgenügsamkeit. Und dann gibt’s auch die anderen Tage, wo’s nicht flutscht und man nicht in die Gänge kommt – und dann, wiederum, hey, ist doch ok, dein System lädt sich grad auf, gönn dir ne Pause, tu dir was Gutes und dann mach wieder weiter. Oder wie es Gerald Hüther (ein weiser Mensch) so schön sagt, einfach einen etwas liebevollen Umgang mit sich selbst entwickeln und immer wieder zum Gestalter seines Lebens werden. Denn ja, wir lernen in der Schule was zwei mal vier minus 16 plus 34 durch 3 ergibt und was Pierro und Pierrette an der Cote d’Azur so treiben, aber einen Umgang mit sich selbst dass muss man sich schon selbst beibringen. Und genau dafür ist so eine Erfahrung wie die hier, alleine und ziemlich fernab von äusseren Einflüssen, viel wert.

Ein Zuhause

Sich an einem Ort geborgen fühlen, Zuhause zu sein. Heimzukommen, Anzukommen. Das ist was Schönes. Aufgrund Wanderjahren hatte ich relativ spät mein erstes Zuhause. In den Bergen, meine Wohlfühloase. Plötzlich muss man dann dort weg und macht weiter, geht weiter. Und nach relativ kurzer Zeit ist dass schon wieder weit weg. Jetzt ist die Weidhütte mein Zuhause und meine Wohlfühloase geworden. Ist dann wohl auch eine Hommage an die Vergänglichkeit des Lebens. Und die Kunst, zumindest zu probieren, mit ebendiesem mitzugehen statt sich gegen anzustellen.

Das sich wandelnde Bewusstsein

Passt es sich der Umgebung an? Wandelt es sich je nach Umgebung? Mein Bewusstsein war, ist hier anders. Klarer, wacher, aber auch ehrfürchtiger. Ich fand das die vergangenen Wochen spannend zu beobachten. Je nachdem, wo ich grad bin. Wenn ich „auswärts“ geschlafen habe, dann kann ich ohne Probleme in die Bequemlichkeiten der heutigen Zeit (Stichwort Technologie etc.) eintauchen. Hier tue ich mich schwerer damit, weil es irgendwie nicht hierhin passt. Oder eben, weil sich das Bewusstsein je nach Umgebung ändern, anpassen und wandeln kann.

Momentaufnahmen

Ein Berg, von der Abendsonne belichtet. Ein, klarer, schöner Sternenhimmel. Die Wärme der Morgensonne. Die frische Waldluft. Ein Vogel am Himmel kreisend. Das Rauschen des vorbeifliessenden Wassers. Ein alter Ast, in dem was verziert ist. Ein Fuchs, der einem den Weg nach Hause weist und dann im Schatten der Nacht verschwindet. Einfache Momentaufnahmen, die den Moment fest- und einen selber innehalten lassen. Jaa, bin da etwas poetisch unterwegs; liegt wohl am Plätzchen und weniger an mir 😉 und darum sag ich jetzt…

Bye-Bye Winter und Danke Weidhütte,

Ich hab hier auf der Gitarre gezupft und das Hühnchen höchstens mit mir selber gerupft. Hab in Unterhosen um’s Feuer getanzt, weil es kraftvoll und energetisierend ist, die Wärme des Feuers am ganzen Körper zu spüren. Bin barfuss durch den Schnee gelaufen, eine Minute, zwei Minuten, fünf Minuten, hab die Kälte schätzen gelernt, ohne eine warme Stube danach missen zu wollen. Hab kurz einen auf Wim Hof gemacht, im Wissen dass ich von diesem etwa gleichweit weg bin wie die Welt vom gesunden Menschenverstand. Hab die Zeit vergessen, um dann doch wieder auf die Uhr zu schauen. Die Wäsche am Fluss gewaschen, um sie mindestens vier Tage trocknen zu lassen. Viele Kerzen angezündet, um alle bis auf eine oder zwei vor dem Schlafen gehen auch wieder auszulöschen. Habe laut Musik gehört, um dann wieder in die Stille zu gehen. Ich durfte schöne Menschen hier begrüssen, Gesellschaft geniessen, um dann auch wieder in’s Allein-Sein einzutauchen. Das abendliche Glas Wein schätzen gelernt, ohne auf das Gute-Nacht Teeli verzichten zu können. Hab Holz gesammelt und schöne Steine bestaunt. Am Fluss unten die Zeit vergessen. Schon wieder. Ja, ohne danach auf die Uhr zu schauen. Den kleinen Jungen in mir entdeckt, Sonne getankt und meine Lieblingsplätzli gefunden. Mich den Fragen des Lebens angenommen, und wieder ein, zwei Antworten erhalten. Hab über und mit mir selbst gelacht, mal halbe und mal ganze Sachen gemacht. Die Teekanne auf den Ofen gestellt, ihr zugeschaut und mich gefreut wenn sie zu dampfen begann. Hab einen unterhaltsamen Berner Oberländer Podcast entdeckt, weil, so viel alleine, etwas Unterhaltung muss dann doch sein. Ich hab auf Schnee gewartet und Regen bekommen. Gewisse Ur-Ängste kennengelernt, ohne sie verdrängen zu müssen. Im Kerzenlicht gemerkt, dass es auch ohne Strom geht. Das zugefrorene WC mit Tasse und heissem Wasser wieder ausgespült – jetzt weiss ich, was eine Scheiss-Arbeit ist. Hab den Geist der Nacht schätzen gelernt, und das gute alte Mittagsschläfchen wiederentdeckt. Die Hütte ausgelüftet, um sie dann wieder einzuräuchern. Im Morgentau den singenden Vögel gelauscht, ohne mit ihnen mitfliegen zu können. Und natürlich hab ich Raclette über dem Ofen gemacht, drei Tage hintereinander, weil, ganz ehrlich, was wäre eine Welt ohne Käse?

Dann hab ich noch ein Feuer gemacht, und noch ein Feuer gemacht, und noch ein Feuer gemacht. Und schlussendlich hab ich jetzt auch ein schönes Brandloch in meiner Lieblingskappe. Weil über Wochen von Feuer und Kerzen umgeben, so gänzlich ohne Eskapade kann das dann doch nicht enden. Aber, es ist nur das, die Kappe ist noch ganz und so wird mich das Brandloch bestimmt noch eine Weile an meinen „Winter in der Weidhütte“ erinnern.

Und damit ist’s jetzt auch Zeit, wieder etwas aus dem gemachten Nest rauszukommen. Viva und Hopp dr Bäse.

Vielen Dank für’s Lesen.

Ein waschechter, unterhaltsamer Berner Oberländer Podcast: www.mulaffä.ch – Beschtä Dank an Gian & Tino!

…und itz, singe mer no eis!

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